Die Enthaarungskur

Unser Kater Pooky, der eine oder andere von Euch mag ihn inzwischen auch aus meinem Buch kennen, war ein ziemlicher Fusseltiger. Wegen seines langen Haarkleides hätte er eigentlich jeden Tag ordentlich gekämmt oder gebürstet werden müssen. Normalerweise war das die Aufgabe unserer Tochter, schließlich hatte sie uns den Plüschlöwen einst aufs Auge gedrückt. Infolgedessen „durfte“ sie sich seitdem auch um sein Rundumwohlbefinden kümmern. Im Großen und Ganzen tat sie das auch. Futter und Wasser standen ihm stets ausreichend zur Verfügung. Manchmal vernachlässigte sie allerdings die nervende tägliche Kämmerei. Pooky war nämlich während der Frisurpflege nicht gerade leicht zu händeln. Im Grunde genommen hätte man zwei Personen gebraucht, um den Kamm ordentlich durch seinen dichten flauschigen Pelz ziehen zu können. Der Kater war halt ein Kater und der Meinung, dass Jungs so etwas wie einen Kamm nicht nötig haben. Er entzog sich gern dieser allmorgendlichen Prozedur, wenn es sein musste, durchaus unter Anwendung seiner nicht gerade stumpfen Krallen.

Was sagt der Blick? – „Nicht schon wieder kämmen!“

So betrachtet hatte ich Verständnis dafür, dass unsere Tochter so manches Mal einfach diese für beide Seiten unangenehmen Kämmorgien ausfallen ließ. Entsprechend hatte sich bald ein Problem aus vielen kleineren Problemen aufsummiert. An etlichen Stellen in Pookys Pelz bildeten sich kleine Knoten. Als Freigänger ließ es sich nicht verhindern, dass dem Plüschlöwen ab und zu irgendwelche Samenkapseln, Blüten oder Blätterreste im Fell hängenblieben. Und bei den langen Haaren war es für unseren Pelzträger gar nicht so einfach, all die Knötchen per reiner Katzenwäsche zu entwirren oder gar ganz zu entfernen. Irgendwann wurden die kleinen Knoten zu dicken Verfilzungen, wenn, ja wenn man nichts dagegen unternahm. Solche Verfilzungen wiederum können zu Hautreizungen oder gar Entzündungen führen. Sie tun letztendlich auch unangenehm weh.

Sollte der Kater nicht am Ende als ein einziges Filzknäuel umherlaufen, musste irgendwann nicht nur der Kamm her, nicht selten war die Schere notwendig geworden. Pooky musste stellenweise regelrecht geschoren werden. Dazu waren dann schon zwei hartgesottene Schafscherer vonnöten. Einer musste den Löwen gut festhalten, noch dazu so, dass er den eigentlichen Scherer weder beißen noch kratzen konnte. Das Halten allein war schon eine echte Herausforderung. Die Scheraktion will ich gar nicht weiter beschreiben. Irgendwie haben wir sie immer mehr oder weniger entnervt, zerkratzt und durchgeschwitzt gemeistert. Jedes Mal wieder danach haben wir uns vorgenommen, das regelmäßige Kämmen zur Pflichtaufgabe werden zu lassen. Aber wie es so ist mit ungeliebten Pflichten, man verschiebt sie gern auf den nächsten oder übernächsten Tag. In der nächsten Woche reicht es eigentlich auch noch. Und schon standen wir wieder vor dem gleichen Problem.

Irgendwie war der Kater ja auch selbst Schuld an dieser ganzen Misere. Er hätte sich auch ruhig mal aufdrängeln und uns maunzen können, dass er bitte gekämmt werden möchte, damit er ganz besonders schick für die Mädels dort draußen vor der Tür daherkommen würde. Aber nix da, die Mädels schienen ihn gar nicht mehr so vordergründig zu interessieren. Wir hatten ja selbst in dieser Beziehung durch die Tierärztin ein wenig Abhilfe schaffen lassen. Kein Wunder also, dass der Katerich seitdem auch weniger an seinem Äußeren interessiert war. Ihm war egal, wie der Anzug saß. Andererseits war ihm die Kämmerei wohl auch unangenehm. Die anderen Jungs, in der Regel solche mit einem Kurzhaarschnitt, kämmten sich kurz mit der rauen Zunge durch den Haarpelz und schon saß die Frisur. Da war es doch eher peinlich, wenn Pooky wie Prinz Charming mit locker wallender Haarpracht daherkommen würde. Dann lieber verwuschelt und mit Knötchen hier und da. So sah er wenigstens wie ein kerniger Kater aus.

Wir hatten also einen ewigen Kampf auszustehen – mit dem Kater und mit unserem eigenen inneren Schweinehund. Zur Ehrenrettung unserer Tochter muss ich gestehen, dass auch ich nicht gerade begeistert an Pooky herumkämmte. Man lief immer Gefahr, im nächsten Augenblick eine seiner Krallen zu spüren. Kurz und zackig fuhr er beim kleinsten Zieps die Pfote samt Krallen aus und schon hatte man einen neuen schmerzhaften Schmiss in der Haut.

Als unsere Tochter in eine eigene Wohnung gezogen war, ging dieser Friseurjob ganz auf mich über. Pooky war nämlich bei uns geblieben und mit ihm die allmorgendliche Fellpflege. Aber Not macht erfinderisch. Bald hatte ich eine Methode gefunden, um diese strapaziösen Minuten des Tages einigermaßen schnell und unfallfrei über die Bühne zu bringen. Ich hockte mich auf den Teppich, klemmte mir den Kater so zwischen die Beine, dass er weder fort, noch mich kratzen konnte. Notgedrungen ließ er sich diese Prozedur gefallen. Von da an blieb Pooky selten einmal einen Tag ganz ungekämmt. Auch großartige Scheraktionen waren kaum noch nötig. Das konsequente Kämmen hatte sich ausgezahlt. Doch nach dem Kampf mit dem Kamm sauste der Arme immer in großen Sprüngen davon, wahrscheinlich froh darüber, diesem Akt der Gewalt endlich entkommen zu sein.

Eines schönen Tages war ich beim Staubsaugen unter anderem in unserem Wohnzimmer angekommen. Pooky lag auf einem der Sessel und ließ sich durch meine Saugerei nicht von seinem Vormittagsschlaf abhalten. Neben dem Teppich wollte ich aber auch gern Sessel und Couch absaugen. Um den Kater von seinem Schlafplatz zu vertreiben, damit ich auch den von den Fusseln unseres Plüschlöwen befreien konnte, hielt ich spaßeshalber die Staubsaugerbürste vorsichtig über Pookys Pelz. Ich nahm an, er würde empört hochfahren und fortsprinten. Doch nichts dergleichen geschah. Der Kater blieb ganz entspannt liegen und rührte sich auch nicht von der Stelle, als ich ihn regelrecht mit laufendem Staubsauer abbürstete. Die Fusselabsaugaktion schien ihm richtig zu gefallen. Er drehte und wendete sich sogar, damit ich auch den Bauch noch ordnungsgemäß entfusseln konnte. Von da an durfte ich Pooky öfter absaugen und so die losen Haare auf dem kürzesten Weg entfernen. Was hätte ich darum gegeben, wenn sich mit der Staubsaugermethode nicht nur die losen Haare, sondern auch sämtliche kleinen und größeren Verfilzungen hätten entfernen lassen. Die tägliche Kämmsession konnten wir leider trotz der Staubsaugermassage nicht unter den Tisch fallen lassen. Echt schade!

Wieder einmal hatte ich Neues über unseren Kater gelernt, und das, obwohl wir uns schon so viele Jahre ein Heim teilten. Man lernt doch sogar in engstem Zusammenleben immer noch Überraschendes über seine Mitbewohner dazu. Alles hatte ich für möglich gehalten, aber nicht das. Pooky mit dem Kamm zu kämmen, war und blieb immer stressig für beide Seiten. Aber absaugen durfte ich ihn seit diesem Tag immer wieder gern. Diese Art von Bürstenmassage schien der Bursche regelrecht zu genießen. Aber auch mir gefiel das neue Spiel. Pooky und ich hatten mit der Saugaktion einen neuen Spaß für uns entdeckt.

Katzen bleiben uns wohl immer irgendwie, auch wenn wir sie bestens zu kennen glauben, ein Mysterium. Pooky steckte zeit seines Lebens voller Überraschungen. Diese war eine von vielen anderen.