Vom Regen in die Traufe? (Mohrle – Teil 2)

<Teil 2 von „Auch bei mir kam ein Kätzchen aus dem Regen“>

Das Abenteuer meines kleinen Findelkätzchens aus dem Beitrag zuvor endete glücklicherweise nicht in der Traufe, dafür aber zunächst in unserem Keller.

Mein Vater war nicht gerade begeistert von meinem tierischen Mitbringsel. Dank der Fürsprache meiner Mutter durfte der pelzige Winzling aber erst einmal bleiben – im Keller versteht sich. Ich erhielt zwar die Auflage, das Kätzchen wieder irgendwo unterzubringen, wenn es entsprechend aufgepäppelt wäre, aber darüber wollte ich vorerst nicht nachdenken. Natürlich versprach ich dem Kätzchen zuliebe alles, was mein Vater hören wollte. Bestimmt würde später eine Lösung vom Himmel fallen, so meine Hoffnung.

Zunächst aber war ich froh und glücklich, hatte ich doch endlich ein eigenes Kätzchen. Und ich kümmerte mich mit Begeisterung und Hingabe um das kleine Fellbündel. Einen Namen hatte ich auch schon gefunden. Da es zumindest oben herum schwarz bepelzt war, sollte mein Kätzchen Mohrle heißen. Dass es mir sicher sehr schwerfallen würde, ein Kätzchen, dem ich bereits einen Namen gegeben hatte, vielleicht wieder abgeben zu müssen, darüber zerbrach ich mir gar nicht erst den Kopf. Ich hoffte ja schließlich noch auf ein Wunder – z.B. auf die Bekehrung meines Vaters. Wenn er mein Kätzchen erst einmal sehen würde, wäre er bestimmt auf der Stelle genauso verliebt in das kleine Wuschelwesen wie ich.

Ab sofort war ich natürlich mehr in unserem Keller zu finden als in unserer Wohnung, schließlich musste ich mich um das Katzenbaby kümmern. Es brauchte ja in regelmäßigen Abständen sein Fläschchen. Und ich kümmerte mich mit Hingabe um mein Pflegekind, so gut, dass es schnell immer kräftiger und natürlich auch immer unternehmungslustiger wurde. Bald hatte es auch begriffen, wie es Milch von einem Teller schlabbern konnte. Ich war richtig stolz auf die Fortschritte, die mein Katzenkind gemacht hatte. Sogar das Katzenklo, das ich ihm hingestellt hatte, benutzte es ordnungsgemäß. Als Behelfstoilette musste eine alte große Bratpfanne herhalten, die ich mit Sand befüllt hatte.

Die Kartoffelkiste, in der ich Mohrle zunächst untergebracht hatte, konnte mein Pflegekätzchen inzwischen mühelos verlassen. Immer öfter kletterte es überall im Keller umher. Eines Tages hatte es sich sogar in den Nachbarkeller verirrt. Wie war es nur dahin gekommen? Es konnte doch gar nicht durch den schmalen Spalt zwischen den einzelnen Holzlatten hindurchgepasst haben. Doch bald löste sich das Rätsel. Die Latten, die unseren Keller von den Nachbarkellern trennten, reichten nicht ganz bis an die Decke. Mein Kätzchen musste wohl bis ganz nach oben zur Decke geklettert sein und von dort hinüber in den Keller nach nebenan. Nun war plötzlich guter Rat teuer. Wenn das öfter passieren würde, gäbe es sicher bald Ärger mit den Nachbarn.

Ich wusste mir keinen anderen Rat, als Mohrle mit hinauf in unsere Wohnung zu nehmen. Ob mein Vater etwas dagegen haben würde, wenn ich mein Pflegekind in unserem Bad unterbringen würde? Fragen konnte ich ihn gerade nicht, weil er noch nicht von der Arbeit zurück war. Wenigstens sah meine Mutter ein, dass die Kellerlösung nun wohl keine mehr war. Auch sie befürchtete Probleme mit den Nachbarn. Ich sollte das Kloschüsselchen noch hochholen, dann würden wir weitersehen.

Wie meine Mutter meinen Vater schließlich davon überzeugt hatte, dass Mohrle bleiben durfte, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich die strenge Auflage erhielt, das Katzenklo immer sorgfältig zu reinigen, und Kratzspuren an den Möbeln wollte mein Vater auch nicht sehen. Einmal ein Geschäftchen in die Ecke gemacht oder an Möbeln gekratzt und schon hätte mein Kätzchen sein Aufenthaltsrecht verwirkt.

Für Diaschau eines der Bilder anklicken!

Ich ließ es natürlich weder zu dem einen, noch zu dem anderen kommen, schließlich wollte ich mein Kätzchen behalten. War einmal keiner zuhause, musste Mohrle im Bad bleiben. Dort konnte er am wenigsten Schaden anrichten. Ja, ER! Inzwischen hatten wir nämlich festgestellt, dass unser neuer Mitbewohner ein kleiner Kater war.

Ich war selig, Mohrle durfte bleiben. Ich müsste nur gut genug auf ihn aufpassen. Endlich war doch noch ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Ich hatte ein eigenes Kätzchen. Dass ich es mir in gewisser Weise erzwungen hatte, das steht auf einem anderen Blatt. Ich war meinem Vater mehr als dankbar, dass er letztendlich doch erlaubt hatte, dass Mohrle bleiben durfte. Ob er nun Mitleid mit dem kleinen Kater hatte oder mich einfach nicht enttäuschen wollte, sei dahingestellt. Ich habe nie nach seinen Beweggründen gefragt.

Wie sich noch oft herausstellen sollte, war dieser Kater nicht ganz so problemlos, wie zumindest ich es gedacht hatte. Wir haben noch jede Menge Aufregendes mit ihm erlebt. Erstaunlicherweise durfte er trotz allem bleiben. Aber dazu vielleicht irgendwann später einmal mehr.

In meinem Buch Pfote aufs Herz habe ich auf Seite 29 nur ganz kurz angerissen, wie gern ich als Kind ein eigenes Kätzchen haben wollte, mein Vater aber etwas dagegen hatte. Diese Geschichte erzählt nun, wie ich letztendlich doch noch zu meinem Kätzchen kam.

Auch bei mir kam ein Kätzchen aus dem Regen (Mohrle – Teil 1)

Das passiert wohl nicht nur Menschen wie Deric Longden. Es kommt scheinbar öfter vor, dass sich Menschen und Katzen im Regen finden.

Wie sehr hatte ich mir als Kind ein eigenes Kätzchen gewünscht. Doch mein Vater wollte von diesem Wunsch einfach nichts hören. Meine Mutter dagegen hätte ich sicher nicht lange überreden müssen. Sie hätte mir diesen Wunsch wohl durchaus erfüllt. Aber mein Paps war der Meinung, dass Katzen auf den Bauernhof gehören und nicht in sein heiliges schönes Wohnzimmer.

Gut, ich hatte meine Kätzchen jeden Sommer auf andere Weise. Kaum hatten die Sommerferien begonnen, drängte es mich unwiderstehlich zu meinen Großeltern. Auf ihrem Bauernhof gab es nämlich immer Kätzchen, wenn auch jeden Sommer wieder neue. Die vom Vorjahr hatten sich in der Regel, wenn ich wieder Ferien bei meinen Großeltern machte, ein neues kleines Revier irgendwo bei einem anderen Bauern in dem kleinen Dorf, in dem meine Großeltern ihren Hof hatten, suchen müssen. Dafür mussten gar nicht mal meine Großeltern sorgen, das erklärte schon die Katzenmutter beizeiten ihrem Nachwuchs. Irgendwie störte es mich auch gar nicht, dass es immer wieder andere Katzenkinder waren, die ich durch die Gegend schleppen konnte. Die Hauptsache für mich war, ich hatte Katzen zu betutteln. Wobei es auch allerlei anderes Getier gab, um das ich mich während der Ferien ein wenig kümmern durfte. Ziegen und Schafe konnten gefüttert werden, der Hofhund und Hühner sowieso. Bei den Hühnern übte ich mich sogar in der Hühnerdressur. Am Ende der Ferien konnten sie allerlei Kunststückchen. Aber Katzen waren und blieben immer das Wichtigste für mich. Und wie gern hätte ich selbst ein Kätzchen gehabt.
Ich hab‘ sogar noch einige Bilder gefunden – ich inmitten von Hühnern und Katzen 🤭 auf dem Bauernhof meiner Großeltern mütterlicherseits.

Für Diaschau eines der Bilder anklicken!

Es hätte so einfach sein können, am Ende des Sommers eines der Kätzchen mit nach Hause zu nehmen. Meine Großeltern hätten nichts dagegen gehabt. Aber da führte kein Weg hinein. Mein Vater blieb hart und unerbittlich. Andererseits wäre es vielleicht doch nicht ein ganz so einfaches Unterfangen gewesen, ein Kätzchen vom Bauernhof meiner Großeltern mitzunehmen. Zwischen unserem Zuhause und dem meiner Großeltern lagen etwa fünf Stunden Bahnfahrt mit mehrmaligem Umsteigen zwischendurch. Und ein Kätzchen heimlich mitzunehmen, darauf bin ich einerseits gar nicht erst gekommen. Wie auch? Wo hätte ich es die lange Fahrt über verstecken sollen? Andererseits hätte ich mich auch nicht getraut, verbotenerweise ein Kätzchen heimlich daheim einzuschleusen. Zunächst jedenfalls nicht …

Aber manchmal kommt es eben anders, als man denkt. Ich kam gerade von einer Freundin zurück. Wir hatten uns bei ihr zum Spielen getroffen. Langsam wurde es aber für mich Zeit, nach Hause zu gehen. Ich hatte es immer wieder hinausgezögert, es regnete nämlich in Strömen. Doch langsam musste ich los, sonst würden sich meine Eltern Sorgen machen. Ich muss acht oder neun Jahre alt gewesen sein. Auch damals sorgten sich Eltern, wenn das Kind nicht pünktlich nach Hause kam. Ein bisschen widerwillig machte ich mich also auf und lief durch den strömenden Regen. Unterwegs kam ich an einem Bauerngehöft vorbei. In dessen Nähe gab es einen kleinen Teich, um den herum einige Kleintierzüchter Hühnerställe und kleinere Gehege gebaut hatten. Wir Kinder spielten gern dort und auch in einigen der angrenzenden verwilderten Gärten. Und genau da waren wir schon oft auf Katzen getroffen. So wunderte es mich zunächst gar nicht, als ich ein Maunzen vernahm. Bestimmt jammerte eine Katze über das scheußliche Wetter. Ich hätte mich ihrem Gesang glatt anschließen können. Mir gefiel es auch nicht, dass ich durch den Regen rennen musste.

Doch dann jammerte es immer kläglicher und mehr mit so einem hellen Stimmchen wie ein Katzenkind, weniger wie eine erwachsene Katze. Trotz meines eher noch zarten Alters kannte ich Katzenstimmen mehr als gut. Auf dem Bauernhof geschult wusste ich sehr wohl, die verschiedenen Katzenstimmen und die sich darin abzeichnenden Stimmungen zu deuten. Was ich gerade hörte, musste ein sehr kleines Kätzchen sein, das ganz angstvoll maunzte. Trotz des Regens und der fortgeschrittenen Zeit lauschte ich dem Stimmchen und versuchte zu orten, wo das Maunzen herkam. Vielleicht brauchte ein Katzenbaby Hilfe. Es dauerte auch nicht lange, und ich hatte herausgefunden, woher die klagenden Laute kamen. Ein winziges nasses Katzenbündel kam, als es mich sah, mehr auf mich zugekrochen, als dass es laufen konnte. Klatschnass war es, maunzte sogar noch kläglicher, als es mich entdeckte. Es erhoffte sich wohl Hilfe von mir. Wenig später hockte ich vor einem patschnassen, zitternden schwarzweißen Fellbündel. Vorsichtig hob ich es hoch. Kaum auf meinem Schoß, versuchte es, unter meine Jacke zu kriechen. Ihm musste sehr kalt sein, ihm fehlten eindeutig die Wärme und der Schutz der Mutti. Was sollte ich jetzt bloß mit diesem Häufchen Elend tun? Ob ich die Katzenmutti finden konnte? Mit dem Kätzchen unter der Jacke machte ich mich auf die Suche. Doch bei den Hühnergehegen konnte ich weit und breit weder eine Katzenmutti noch eine Menschenseele entdecken. Ob das Katzenkind zu dem Bauernhof gehörte? Unsicher machte ich mich auf den Weg zum Bauerhaus und pochte dort schüchtern an die Tür. Eine Weile tat sich nichts. Ratlos, was ich nun mit dem Kätzchen tun sollte, wollte ich schon wieder gehen, als plötzlich der Bauer aus einem der Ställe kam. Etwas brummig fragte er, was ich hier wollte. Ich holte das nasse Pelzbündel unter meiner Jacke hervor und fragte, ob das Katzenbaby zu ihm gehören würde. Doch er behauptete, dass es auf seinem Hof gerade keine Katzen geben würde. Ich solle mal bei den Hühnerleuten nachfragen. Aber vielleicht gehöre das Kätzchen auch zu einer von den verwilderten Katzen, die sich manchmal bei den Hühnerställen rumtreiben würden. Wenn es zu niemandem gehören würde, sollte ich es wieder dort hinbringen, wo ich es gefunden hätte. Die Katzenmutter würde es bestimmt irgendwann finden und mitnehmen. Und wenn nicht, dann wäre es eben so. Es gäbe eh genug Katzen.

Also trottete ich mit meiner kleinen nassen „Ratte“ wieder zurück zum Fundort und hoffte darauf, dass sich irgendwann die Katzenmutter zeigen würde. Ich setzte das kleine Bündel sogar unter einen Strauch in der Nähe des Fundortes und entfernte mich ein Stück. Doch das Kätzchen blieb nicht sitzen, wo ich es abgesetzt hatte. Maunzend kroch es hinter mir her. Nachdem wir die Prozedur mehrmals wiederholt hatten, wir beide auch immer nasser geworden waren, fasste ich einen Entschluss. Ich hob das nasse und wieder zitternde Bündel hoch, schob es unter meine Jacke und machte mich auf den Heimweg.

Zuhause schlich ich mich leise in die Wohnung, nahm den Kellerschlüssel an mich und ging anschließend hinunter in unseren Keller. Die einzelnen Keller unseres Mehrfamilienhauses waren durch Holzlattenverbauten voneinander abgetrennt. Die Lücken zwischen den Latten waren so schmal, dass das Katzenkind beim besten Willen nicht hindurchpassen würde und zum Nachbarn wechseln könnte. Eine alte Kartoffelkiste samt Kartoffelsäcken leistete zunächst gute Dienste als Unterkunft für das Kätzchen. Aber nun musste ich erst einmal beichten gehen.

Mein Vater war zum Glück noch nicht zuhause. Meine Mutter schaute mich zweifelnd an, ob das eine gute Idee gewesen war, das Kätzchen mit nach Hause zu nehmen. Dann gab sie mir einen Teller und etwas Milch für unseren neuen Kellerbewohner und meinte, sie würde meinem Vater das nachher irgendwie beibringen, dass in unserem Keller vorübergehend ein Katzenkind wohnen würde. Wenn es alt genug wäre, müsste ich es sicher wieder fortbringen.

Den letzten Teil des Satzes hörte ich eigentlich gar nicht mehr so richtig. Ich eilte wieder hinunter zum Katzenkind. Doch die Milch, die ich auf den Teller geschüttet hatte, wollte das kleine Flauschbündel nicht, selbst als ich sein Mäulchen hineinstupste, schien es damit nichts anfangen zu können. Es schlapperte zwar die Milch vom Mäulchen ab, aber es trank nicht selbstständig vom Teller. Wahrscheinlich war es wohl noch von der Muttermilch abhängig gewesen. Etwas ratlos schaute ich nun auf das inzwischen wieder klagende Bündel. Wenigstens hatte ich es derweil mit einem alten Handtuch, das meine Mutter mir in die Hand gedrückt hatte, etwas trocken gerubbelt. Es zitterte also nicht mehr vor Kälte, höchstens vor Hunger. Was sollte ich bloß tun, wenn es nicht allein trinken wollte oder konnte?

Meine Mutter wusste Rat. Ich liebte damals diese kleinen Fläschchen mit Liebesperlen darin. Ich weiß gar nicht, ob es heute immer noch so etwas gibt. Ein Fläschchen davon, das ich zum Mutter-und-Kind-Spielen für meine Puppen und Teddys aufgehoben hatte, könnte ich doch mit etwas verdünnter Milch füllen, ein kleines Loch in den Sauger stechen und schon hätten wir ein Babyfläschchen für das Kätzchen. Und siehe da, es klappte. Kaum hatte ich dem winzigen Katzenkind den Sauger ins Mäulchen geschoben, saugte es gierig die Milch in sich hinein. Die erste Hürde schien genommen …

Fortsetzung: siehe „Vom Regen in die Traufe?